Das Geheimnis der göttlichen Vaterschaft bei den Heiligen des Karmel!

Meditation, gehalten in der Kirche von Maria Jeutendorf am 16. 7. 1999

1. Sprecher: Das letzte Jahr vor der Jahrtausendwende will die Kirche als das Jahr des Vaters begehen. In allen Gläubigen möchte sie den Glauben und die Erfahrung, dass wir einen Vater im Himmel haben, gestärkt und vertieft wissen. Lassen wir uns heute von den Heiligen des Karmels an der Hand nehmen und führen, um gleich ihnen dem Geheimnis der göttlichen Vaterschaft näher zu kommen.

Teresa von Avila - KirchenlehrerinDie hl. Theresa v. Avila, die Gründerin und Reformatorin des Karmel, hat für ihre Schwestern, die Karmelitinnen des Josefsklosters in Avila, eine Gebetslehre geschrieben. Sie legt dieser Gebetslehre die einzelnen Bitten des Vaterunsers zugrunde. Teresa eröffnet diesen Text mit einem Gebet an Christus:

2. Sprecher: O Sohn Gottes und mein Herr, wie viel schenkst du uns gleich beim ersten Wort dieses Gebetes. Du erniedrigst dich so tief, dass du deine Bitten mit den unsrigen vereinigst und dich zu unserem Bruder machst. Und so gibst du uns im Namen deines Vaters alles, was du uns geben kannst. Du willst, dass er uns als Kinder annimmt. Und da dein Wort nicht trügen kann, verpflichtest du ihn, es zu erfüllen. Nichts Geringes ist es, was du ihm da aufbürdest.

Instrumentalmusik 1. Sprecher: Und nun beschreibt die hl. Teresa, was alles die Verpflichtungen eines Vaters sind, zumal die des Vaters im Himmel, der ja unser Schöpfer und die Liebe selber ist.

2. Sprecher: Denn wenn er unser Vater ist, muss er uns ertragen, so sehr wir ihn auch beleidigen mögen. Er muss uns verzeihen, wenn wir zu ihm zurückkehren wie der verlorene Sohn , er muss uns trösten in unseren Leiden, muss uns ernähren, wie es sich für solch einen Vater ziemt, der besser sein muss als alle Väter der Welt, weil in ihm nur die Fülle alles Guten sein kann. Schließlich muss er uns auch Anteil geben an seiner Herrlichkeit und uns zu Miterben mit seinem Sohn machen . (Weg 27,2)

1. Sprecher: Teresa nennt als erste Verpflichtung unseres himmlischen Vaters, uns , seinen von der Erbsünde verwundeten Kindern gegenüber, dass er uns ertragen und uns verzeihen muss. In diesem Gedanken fanden alle Heiligen des Karmel Trost und die Ursache ihres Vertrauens. So ruft die sel. Mirjam von Abellin, die Tochter des hl. Landes, in der bilderreichen Sprache ihrer Heimat, aus :

2. Sprecher: Herr, wenn ein kleines Kind von der Mutter und der ganzen Welt verlassen in den Kot geworfen wird, was könnte es anfangen? Wenn böse Tiere, Mücken, Wespen und Schlangen kämen, es zu stechen und zu beißen, es könnte sich nicht verteidigen; es würde sterben vor Hunger und Durst. Herr, meine Sünden haben mir all diese Übel verursacht. Ich bin wie dieses Kindlein. Aber du bist mein Vater, habe Erbarmen mit mir: Ich bin das Werk deiner Hände...

Gesang 1. Sprecher: Die hl. Therese von Lisieux und die sel. Elisabeth von Dijon sehen in unserer Armseligkeit und Sündhaftigkeit geradezu den Grund zur größten Hoffnung. Hören wir einen Text von Sr. Elisabeth :

2. Sprecher: Mir scheint, dass die schwächste, ja sogar die schuldbeladenste Seele den meisten Anlass hat zu hoffen. Der Akt, den sie setzt, um sich selbst zu vergessen und sich in die Arme Gottes zu werfen, verherrlicht Ihn mehr und schenkt ihm größere Freude als alle Selbstbesinnung und alle Gewissenserforschung, die sie in ihren Gebrechen weiterleben lassen, während sie in der Mitte ihrer selbst doch einen Retter hat, der sie in jeder Minute neu reinigen will.

Instrumentalmusik 1. Sprecher: Schauen wir genauer in diesen Text von Sr. Elisabeth hinein. Sie sagt, dass alle Selbstbesinnung und alle Gewissenserforschung die Gefahr in sich birgt, dass unsere Gebrechen in unserem Denken und Fühlen weiterleben. Und darum rät sie, sich selbst zu vergessen und sich voll Vertrauen in die Arme Gottes zu werfen. Und das, so sagt sie, verherrlicht Gott viel mehr und schenkt ihm größere Freude. Den gleichen Gedanken drückt Elisabeth an einer anderen Stelle folgendermaßen aus:

2. Sprecher: Die arme Elisabeth verletzt ihren Meister durch gar manche Dummheiten. Aber als liebevoller Vater verzeiht er ihr, sein göttlicher Blick macht sie rein, und sie versucht, wie der hl. Paulus " alles zu vergessen, was hinter ihr liegt, um sich nach dem auszustrecken, was vor ihr ist.

Instrumentalmusik 1. Sprecher: Von Sr. Elisabeth haben wir die Aufforderung gehört, uns in die Arme Gottes zu werfen , weil er ja unser Vater ist. Für Therese v. Lisieux ist diese Haltung des Kindes, in den Armen des Vaters, geradezu der Weg zur Heiligkeit. Sie sagt:

2. Sprecher: Die Heiligkeit besteht in einer Einstellung des Herzens, die uns demütig und klein macht in den Armen Gottes, in der wir uns unserer Schwachheit bewusst sind und bis zur Verwegenheit auf die Güte des Vaters vertrauen.

Erschaffung des Adam1. Sprecher: Hier zeichnet Therese mit wenigen Strichen ein Bild von dem, was sie ihren "Kleinen Weg" genannt hat . Gewiss hat jeder von uns Eigenheiten, Sünden und Fehler von denen man wohl weiß, dass sie Gott nicht gefallen können und dass wir damit immer wieder die Menschen, mit denen wir zusammenleben, kränken oder ärgern. Aber wenn ich auch nicht so sein möchte und mich gewiss bemühe, diese Fehler abzulegen, immer von neuem finde ich sie in mir vor. Und nun sagt uns Therese, wir dürften bis zur Verwegenheit auf die Güte des Vaters vertrauen. Heißt das nicht, dass wir alle unsere Sünden und Schwächen ja alle unsere Leiden und Sorgen in das Herz des Vaters legen dürfen? Gewiss wird er dann alles zu unserem Heil gereichen lassen.

Gesang 1. Sprecher: Gehen wir wieder zurück zur Gebetslehre der hl. Teresa. Sie sagte dort, dass es zu den Verpflichtungen unseres Vaters im Himmel gehört, uns in unseren Leiden zu trösten. Gerade die Betrachtung des Vaterunsers war für Therese v. Lisieux ein großer Trost. Als ihr Vater in den letzten Jahren vor seinem Tod infolge einer schweren Arteriosklerose geistig nicht mehr zurechnungsfähig war, litt Therese und ihre Schwestern sehr. Damals schrieb sie an ihre Schwester Celine:

2. Sprecher: "Vater unser im Himmel". Wie trostreich ist dieses Wort; welch unendlichen Horizont eröffnet es unseren Augen.

1. Sprecher: Der Gedanke daran, in dieser Welt nicht hilflos und allein zu sein , weil ihr Leben und das der Menschen die sie liebt, ja in der Hand eines liebenden Vaters geborgen ist , half der kleinen hl. Therese, die Leiden und Mühsale des Lebens in einem anderen Licht zu sehen. In ähnlicher Weise auch die sel. Mirjam von Abellin. Sie ruft aus :

2. Sprecher: Glücklich , dreimal glücklich die Seele die leidet! Die Zeit ist kurz, sehr kurz. Nachdem die Seele einen Augenblick auf der Erde gelitten hat, wird sie immer mit dem Sohne beim himmlischen Vater sich erfreuen.

1. Sprecher: Auch bei Sr. Elisabeth finden wir diesen übernatürlichen Glaubensblick .

2. Sprecher: Wenn seine Willensbeschlüsse uns manchmal sehr kreuzigen, dürfen wir sicher mit dem geliebten Meister sprechen: " Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber". Doch sogleich wollen wir hinzufügen: "Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst." Ruhig und stark wollen wir dann mit dem göttlichen Gekreuzigten unseren Kalvarienberg hinaufsteigen und dabei auf dem Grund unserer Seele singen und ein Danklied zum Vater emporsenden.

Instrumentalmusik 1. Sprecher: Schauen wir mit den Augen der Heiligen des Karmel auf das Geheimnis der göttlichen Vaterschaft , so erkennen wir, dass bei ihnen allen diese Begegnung mit dem Himmlischen Vater im inneren des Herzens geschieht. Hören wir da zunächst wieder die hl. Mutter Teresa in ihrer Gebetslehre:

2. Sprecher: Der hl. Augustinus berichtet uns, dass er Gott überall suchte, bis er ihn endlich in seinem eigenen Inneren fand. Ihr müsst euch einmal vorstellen, wieviel diese Wahrheit für eine zerstreute Seele bedeutet, wenn sie erkennt, dass sie nicht zum Himmel aufsteigen muss, um mit dem Vater zu reden, und dass kein lautes Rufen nötig ist, um seine Liebe zu erfahren. Wie leise sie auch spreche, er ist so nah, dass er sie hört. Sie braucht keine Flügel, um zu ihm zu gelangen, nur in die Einsamkeit muss sie gehen, und in ihr Inneres schauen, wo sie ihn finden wird. Hier betrachte sie ihn, sie stelle sich ja nicht fremd gegen einen so guten Gast, sondern rede mit ihm als ihrem guten Vater, trage ihm als ihrem Vater ihre Bitten vor, berichte ihm von ihren Nöten und welcher Hilfe sie bedarf, immer im Bewusstsein ihrer Unwürdigkeit als Tochter des Herrn. (Weg 27,2)

Instrumentalmusik

Gnadenstuhl 1. Sprecher: Teresa sagt uns hier, wie wir es anstellen müssen, um unseren Vater , nach dem wir uns sehnen und dessen Hilfe und Beistand wir allzeit benötigen, finden können. Sie sagt uns, wir sollten nur in die Einsamkeit gehen und dort in unser Inneres schauen. Unser Ordensvater, der Doktor Mysticus, Johannes v. Kreuz, präzisiert diese Aussage noch einmal und sagt:

2. Sprecher: Gottes Sohn, das Wort, zusammen mit dem Vater und dem Heiligen Geist, ist wesentlich und persönlich in dem innersten Sein der Seele verborgen. Darum muss die Seele, die ihn finden will, ihre Neigungen und ihren Willen von allen Dingen lösen und mit stärkster Sammlung in sich selbst eingehen... Gott weilt verborgen in der Seele; und dort soll sie ihn in Liebe suchen...

1. Sprecher: Hiermit sind wir bei dem Herzstück karmelitanischer Spiritualität angelangt, bei der Einwohnung Gottes im Innersten unserer Seele. Hören wir nochmals die Mutter Teresa, die uns dieses Geheimnis der göttlichen Einwohnung erklären möchte.

2. Sprecher: Wir sollten uns bewusst sein, dass wir im Innern einen Palast von höchstem Wert haben, ganz aus Gold und Edelsteinen, wie es dem höchsten Herrn gebührt. Und dass wir zu dieser Pracht selbst beitragen, denn es gibt kein schöneres Bauwerk, als eine reine und edle Seele. Je besser ihre inneren Eigenschaften sind, umso herrlicher erstrahlen die köstlichen Steine. In diesem Palast wohnt der große König, der euer Vater sein wollte, und sein kostbarer Thron ist euer Herz. Wie wunderbar ist es doch: Er dessen Größe tausend und abertausend Welten füllt, schließt sich in etwas so Kleines ein wie unsere Seele! Als Herr hat er alle Freiheit, er passt sich unserem Maße an, weil er uns liebt.

Instrumentalmusik 1. Sprecher: Dieses Geheimnis der göttlichen Einwohnung war auch für Sr. Elisabeth v. d. Dreifaltigkeit die Freude ihres Herzens. Sie sagt:

2. Sprecher: "Vater unser im Himmel..." In diesem kleinen Himmel, den er sich in der Mitte unserer Seele geschaffen hat, müssen wir ihn suchen und müssen vor allem dort bleiben.

1. Sprecher: Und immer wieder fordert uns auch der hl. Johannes vom Kreuz auf, in unser Inneres einzukehren, wo wir ja den größten Schatz besitzen, nämlich Gott selbst:

2. Sprecher: Freue dich und frohlocke in deiner inneren Sammlung mit ihm, da du ihn so nahe hast. Hier liebe, hier verehre ihn, und mach dich nicht auf, ihn draußen zu suchen.

1. Sprecher: Therese v. Lisieux umschreibt dieses Bemühen mit ihren Worten:

2. Sprecher: Mein Himmel ist, immer in seiner Gegenwart zu bleiben, Ihn meinen Vater zu nennen und sein Kind zu sein.

Instrumentalmusik 1. Sprecher: Die Heiligen des Karmel wissen, dass sie einen Vater haben, der ihnen ganz nahe ist, nämlich in ihrem Herzen, und dass sie mit allen Nöten und Leiden zu ihm kommen können. So ist es nicht verwunderlich, sie immer wieder in Rufe des Lobpreises und der Dankbarkeit ausbrechen zu hören. Lassen wir uns hineinnehmen in den Lobpreis der seligen Mirjam v. Abellin:

2. Sprecher: Wie bin ich glücklich , einen Vater zu haben, der Himmel und Erde erfüllt! O, dass alles widerhallen möchte vom Lobe meines Gottes! Möchten doch die Berge vor Freude jubeln und aufjauchzen die Erde!

1. Sprecher: Und die hl. Mutter Teresa steht überwältigt da, vor dem Geheimnis unseres liebenden Vaters:

2. Sprecher: Wenn wir das alles erfassen, sollte uns dann nicht beim Betrachten einer so großen Liebe das Herz vor Gegenliebe zerspringen? Wo gibt es in der Welt ein Kind, das einen so gütigen , erhabenen und allmächtigen Herrn als Vater hat? Werft euch ganz in seine Arme!

1. Sprecher: Allein Anbetung und Liebe kann die Antwort sein, die dem liebenden Vater gebührt. Anbetung und Liebe möchten auch wir dem Vater, im Himmel unserer Seele, darbringen , mit allen Heiligen und mit Worten der sel. Mirjam v. Abellin, der Tochter des Heiligen Landes:

2. Sprecher: Wir sind nur Pilger und Verbannte auf dieser Erde kommt, lasst uns ihn anbeten. Er ist unser König, er ist unser Vater: kommt, lasst uns ihn anbeten. Fallen wir nieder zu seinen Füßen, geben wir ihm unsere Herzen: kommt , lasst uns ihn anbeten. Kommt ihn zu loben, zu benedeien; Sagen wir mit Herz und Mund: Es gibt keinen Gott, der ihm ähnlich wäre; Beten wir an die Dreifaltigkeit, den einigen Gott. O unbegreifliches Geheimnis! kommt lasst uns ihn anbeten!


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