Der Prophet Elischa

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Der geräuschvolle Sieg auf dem Karmel genügt nicht, um das Einsickern des Götzendienstes in Israel an der Wurzel zu zerstören. Dies beweist die Erfahrung, die Elija bald nachher macht: er ist gezwungen zu fliehen, weil er Isebels Rache fürchtet. Nun muß er aus eigener Erfahrung lernen, daß es in der Nachfolge des Herrn nicht nur Augenblicke der Begeisterung und des Sieges gibt, sondern daß dieser Weg auch durch Unsicherheit, Demütigung, Mißerfolg, Verfolgung und seelische Konflikte führt (vgl. 1 Kön 19). Dies beweisen auch andere biblische Texte, die berichten, daß nicht nur der Baalskult nicht ausgerottet ist, sondern daß er sich sogar im Gebiet von Juda ausbreitet und wieder aufblüht, nämlich im Südreich, und zwar auf Betreiben Ataljas, der Tochter des Ahab und Gemahlin Jorams (vgl. 1 Kön 22,52-54; 2 Kön 3,1-3; 10,16-18). (Foto: Berg Sinai. Das kleine Tal des Elija. Nach der Überlieferung soll der Prophet Elija hier seine Gotteserfahrung erlebt haben. Neben einem Brunnen mit frischem Wasser stehen einige Zypressen.)

Die Propheten jedoch hören nicht auf, ihre Stimme zu erheben und inmitten des Gottesvolkes die Notwendigkeit der Treue zum Bund und die Erinnerung an Jahwes unwandelbar treue Liebe lebendig zu erhalten. Dadurch wollen sie das Volk immer wieder zur Umkehr rufen. In den Büchern der Könige wird unter diesen prophetischen Stimmen auf eine andere Gestalt hingewiesen, die Bedeutung erlangt hat, wenn auch nicht in dem Maße wie Elija. Es handelt sich um den Propheten Elischa, um dessen Namen und Taten sich sehr bald ein Zyklus von Erzählungen gebildet hat, ähnlich wie bei Elija. Sie werden im 2. Buch der Könige, (Kap. 2. - 13.), berichtet.

Diese Erzählungen um Elischa weisen zwar theologisch gesehen weniger Inhalt auf und sind mehr mit Elementen aus legendären und wundersamen Heiligenleben ausgeschmückt, sie bewahren jedoch den Stil und die prophetische Eigenart des Elija-Zyklus. Von Elischa berichtet schon 1 Kön 19,19-21. Wir erfahren von seiner Berufung durch Elija. In wenigen Versen wird darauf hingewiesen, wie sehr die evangelische Nachfolge radikale Bereitschaft und Verfügbarkeit verlangt (vgl. Mt 4,18-22; Lk 9,57-62). Der eigentliche Elischa-Zyklus jedoch beschreibt dann seine Anwesenheit bei der Entrückung des Elija, der ihn zu seinem Nachfolger bestimmt (2 Kön 2,1-18), und eine Reihe von Wundererzählungen des Propheten, die sich - wie die seines Meisters - im Bereich des Königshauses im Nordreich abspielen. Auch in der Topographie der Taten des Elischa wird der Berg Karmel genannt. Allerdings lassen einige Texte vermuten, daß er sich in Samaria niedergelassen hat (vgl. 2 Kön 5,3; 6,18-23). Das in 2 Kön 4,8-37 berichtete Ereignis hingegen nennt ihn "Gottesmann auf dem Karmel" (Vers 25). Eine Frau aus Schunem hat ihr Kind verloren; sie will den Propheten um Hilfe bitten und macht sich auf den Weg in Richtung Karmel. Ihr Mann wendet ein: "Warum gehst du heute zu ihm? Es ist doch nicht Neumond und nicht Sabbat" (Vers 23). Dies läßt uns vermuten, daß sich auf dem Karmel ein Heiligtum befand oder daß es immerhin Brauch war, an Festen oder zu besonderen Anlässen dorthin zu gehen. All dies stimmt vollkommen überein mit den Notizen, die uns die Tradition und die Archäologie im Zusammenhang mit dem Karmel als heiligen, spärlich bewohnten Berg und als Kultort übermitteln. Auch in 2 Kön 2,25 lesen wir: "Von dort ging er zum Berg Karmel und kehrte dann nach Samaria zurück". F. Foresti geht noch weiter und stellt die Hypothese auf, daß sich auch der biblische Ort Gilgal (2 Kön 2,1) auf dem Berg Karmel befinden müsse, dort, wo Elija den Sieg über die Baalspropheten errungen hat. Von Gilgal bricht ja Elija mit Elischa zu seiner letzten Reise auf, bevor er in einem feurigen Wagen zum Himmel emporführt. Gilgal ist nämlich im Hebräischen ein Gattungsname und bezeichnet "im Kreis aufgeschichtete Steine", die für den Kult bestimmt sind. Diese Tatsache könnte also ein Hinweis sein auf den von Elija errichteten Altar in 1 Kön 18,31 (interessant ist diesbezüglich die Vermutung von P. E. Friedmann, der die 12 kreisförmig angeordneten Steine als ein megalitisches Monument identifiziert, von dem wir übrigens in Reisebeschreibungen von Pilgern bis zum Jahr 1846 zahlreiche Bestätigungen haben).

Hier auf dem Karmel also hat Elija Feuer vom Himmel herabgerufen, und von hier aus bricht er zusammen mit seinem Nachfolger zur letzten Reise auf, die ihn in die Steppen von Moab führt, wo nochmals Feuer vom Himmel fallen wird, um ihn zu entrücken.

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