Byzantinisches Mönchtum auf dem Karmel

Israel. Trümmer der Kreuzfahrerburg von Belvoir. Westlicher Eingang. Von einer Anhöhe im Süden des Sees von Tiberia aus überwachte sie den westlichen Abhang des Jordantales. Gebaut im Jahr 1140, nach zweijähriger Belagerung 1189 von Saladin erobert.

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Zu den byzantinischen Mönchssiedlungen auf dem Berg Karmel kam es im Zusammenhang mit der allgemeinen monastischen Bewegung in Palästina im 4. - 7. Jh. Der Überlieferung nach waren Cariton und Hilarion die Begründer des mönchischen Lebens im Heiligen Land.

Der hl. Cariton verließ nach 275 seinen Geburtsort Ikonium und pilgerte nach Jerusalem. Im Norden der Stadt ließ er sich in einer Grotte des Wadi Fara nieder und führte dort lange Jahre ein Büßerleben. Er sammelte zahlreiche Schüler um sich und organisierte ein Leben in Gemeinschaft. Der hl. Hilarion hingegen kannte schon das ägyptische Mönchsleben und zog sich um 311 in eine Hütte bei Gaza, seiner Heimatstadt, zurück. Auch er fand Nachahmer. Von dieser Zeit an verbreitete sich das Mönchsleben längs der Küste, und mit hoher Wahrscheinlichkeit erreichten Mönche auch schon den Berg Karmel.

Die Invasion des Perserkönigs Cosroe II. im Jahr 614 verursachte den Mönchen im Heiligen Land ungeheure Schäden: nahezu 130 Klöster wurden geplündert, die Bewohner umgebracht oder vertrieben.

Das Modell für das Gemeinschaftsleben der Mönche war das der Lauren. Eine solche Laura bestand aus mehreren Zellen, Hütten oder Grotten, in denen die Einsiedler mehr nebeneinander als miteinander lebten und dem Oberen in einer lockeren Form unterstellt waren. Diese Lebensform der Laura ermöglichte es den einzelnen Eremiten, die ganze Woche in völliger Einsamkeit zu verbringen. Am Samstag oder Sonntag hingegen versammelten sich alle, um die Liturgie zu feiern, um Ermahnungen des Oberen anzuhören oder um Anliegen des gemeinsamen Lebens zu besprechen. Es gibt verschiedene Zeugen, die von Klöstern auf dem Berg Karmel berichten. Ein anonymer Pilger aus Piacenza besuchte dieses Gebiet um 570 und behauptete, das Kloster des Elischa gesehen zu haben, das sich nach heutigen Erkenntnissen im Wadi ´ain es-Siah befand. Das einsame, zu Sammlung einladende Gebiet und die Grotten in den Bergflanken scheinen diesen Bericht zu bestätigen. Den überzeugendsten Beweis liefert eine ziemlich große Grotte, die aus zwei übereinander liegenden Räumen besteht, welche im Inneren durch eine in den Felsen gehauene Treppe verbunden sind. Einige archäologische Funde lassen vermuten, daß die untere Grotte als Kapelle diente. Als im 13. Jh. im Wadi lateinische Eremiten lebten, waren die beiden Grotten bekannt als "Grotte des Elija" und "Behausung des Elischa".

Weiter südlich, im Inneren des Wadi el-Ain, in der Umgebung des heutigen Städtchens Tirat-Karmel, befand sich eine zweite Laura. Die Grotten, die man heute besichtigen kann, zeigen deutliche Spuren, daß sie von Menschen bewohnt waren, z. B. Fenster, Nischen, Haken, ein Becken, das vielleicht verwendet wurde, um Olivenkerne zu zerquetschen.

Die Überlieferung behauptet, daß die Kaiserin Helena zu Ehren des Elija auf dem Berg Karmel ein Kloster erbauen ließ. Der Platz, auf dem es stand, könnte die Ebene vor dem Gipfel des Karmel sein, wo sich heute der Leuchtturm befindet. Als Beweis dafür könnten archäologische Funde gelten, die man im späten Römerreich nach Justinian gemacht hat. An derselben Stelle stand im Mittelalter eine Abtei, die in den ersten Jahren des 13. Jh. von griechischen und syrischen Mönchen bewohnt und nach der hl. Margherita oder der hl. Marina benannt war. Diese Abtei wurde von den Pilgern wegen der vielen Reliquien, die hier zu finden waren, häufig besucht.

Um das Jahr 1175 pilgerte Johannes Phokas zur "Grotte des Elija" und bewunderte auf diesem Platz die Ruinen eines großen Klosters. Er erzählt, daß ein Priestermönch aus Kalabrien - den er noch gesehen hat - eine himmlische Erscheinung gehabt und daraufhin zwischen den Ruinen eines alten Klosters in der Nähe der "Grotte des Elija" eine kleine Gemeinschaft gegründet habe. Höchstwahrscheinlich handelte es sich um Mönche des griechischen Ritus, weil Phokas, selbst Grieche, so viel Interesse zeigte.

Die Grotte befindet sich am Fuß des Vorgebirges des Berges Karmel, ganz wenig vom Ufer des Meeres entfernt. Die Moslems nennen sie "el Khadr", der Grünende. Es handelt sich um eine künstliche Grotte, welche im Laufe vieler Jahrhunderte für verschiedene Kulthandlungen verwendet wurde, die im Zusammenhang mit dem Zyklus von Tod und Auferstehung der Natur standen. In der christlichen Epoche ist diese Grotte dann Elija geweiht worden. In der Zeit der Kreuzzüge war man fest davon überzeugt, daß zwischen Grotte und Elija ein Zusammenhang besteht. Man glaubte, daß Elija hier vor seiner Himmelfahrt ein engelgleiches Leben geführt und ein Rabe ihn mit Speise versorgt habe. Im 17. Jh. wies der Unbeschuhte Karmelit Prospero vom Heiligen Geist darauf hin, daß hier ursprünglich die lateinischen Eremiten des 13. Jh. gelebt hätten. Daher erhielt die Grotte in der karmelitanischen Tradition den Namen "Schule der Propheten", weil hier der Ort gewesen sein soll, an dem sich die Schüler und Nachfolger des Elija einfanden.

Im Inneren öffnet sich eine kleinere Grotte, über die seit dem 17. Jh. verschiedene Legenden entstanden sind: es sei dies die Zelle des Elija gewesen, während die große Grotte für seine Schüler, die Prophetensöhne, bei großen liturgischen Versammlungen bestimmt gewesen sei. Eine andere Legende erzählt, daß die Hl. Familie auf der Heimkehr aus Ägypten in der kleinen Grotte übernachtet haben soll. Und wieder eine andere: die Jungfrau Maria habe die Eremiten auf dem Berg Karmel häufig besucht. Hier sei ihr Lieblingsort für Zeiten der Sammlung gewesen.

 

Die Reiseroute der Pilger

Wenn der christliche Pilger zur Zeit der Kreuzzüge von Akko, dem wichtigsten Hafen für die Verbindung mit Europa, nach Jerusalem unterwegs war, konnte er zwischen den zwei bevorzugten Routen im Heiligen Land wählen. Die erste führte im Norden am Berg Karmel vorbei zum See Tiberias, dann durch Samaria und Judäa bis zur Hl. Stadt. Die zweite Route ging von Akko der Küste entlang direkt nach Süden, um dann in das Innere des Landes und bis Jerusalem zu führen. Als der Großteil des Landes unter moslemische Herrschaft kam, wurde mehr der zweite Weg benützt, weil dieser durch christliches Gebiet führte.

Die von den lateinischen Eremiten auf dem Berg Karmel erwählten und damals bekannten Routen beziehen sich alle auf die Zeit nach dem dritten Kreuzzug (1192). Sie weisen darauf hin, daß man auf der zweiten Route mit den Karmeliten zusammentreffen konnte. Die Pilger verließen demzufolge Akko und wandten sich nach Süden bis Haifa, indem sie der festen und sandigen Küste entlang wanderten. Sie kamen zum Bach Kishon und überschritten dessen nördlichen Nebenarm, der die Gebiete von Akko und Haifa voneinander trennte. Eine Sandbank an seiner Mündung erleichterte das Überschreiten. Dann folgten weitere gut bekannte Stationen.

Palmarea, ein in seiner Art einmaliger Palmenhain, wo sich eine den Mönchen von Cluny anvertraute Kirche befand, die sich auch der Pilger annahmen. Hier gab es zusätzlich einen Rastplatz für die Truppen und die Pferde der Kreuzfahrer. Dann gelangte man nach Francheville, auf einem Hügel am Eingang nach Haifa gelegen, mit der Felsenkapelle des hl. Dionysius. Es folgten die Grotte des Elija, die Abtei der hl. Margherita und casale Anna. Wenn die Pilger zum Wadi ´ain es-Siah kamen, waren sie als Gäste bei den Karmel-Eremiten willkommen, konnten an der Elija-Quelle ihren Durst stillen und die Grotten des Elija und des Elischa besuchen. Sie zogen dann weiter nach Cafarnaum am Meer, San Giovanni di Tiro, Athlit mit seinen Festungen und erreichten die Hafenstadt Cäsarea. Alles in allem konnten sie den Weg von Akko aus an einem Tag bewältigen. Bei Cäsarea aber verließen die Pilger die Küste, wandten sich dem Inneren des Landes zu und gelangten so nach Jerusalem.

Die Herrschaft von Haifa

Noch bevor Haifa von den Kreuzfahrern erobert wurde, war die Stadt von befestigten Mauern und Türmen umgeben. Die Bewohner, zum großen Teil Israeliten, kämpften auf der Seite des Sultans von Ägypten gegen die Kreuzfahrer. Tancredi nahm die Stadt im Jahr 1100 nach schwerer Belagerung ein. Die Venezianer hatten ihn unterstützt und erhielten nun zum Dank dafür einen Bezirk in der Stadt als Stützpunkt für ihre Handelsgeschäfte.

Im gleichen Jahr wurde die Herrschaft von Haifa gegründet: Tancredi schloß die Stadt seinem Herrschaftsgebiet von Galiläa an und übergab Balduin I. die Regierung. Sein Gebiet umfaßte ungefähr 200 km2, vom Bach Kischon bis Athlit, wo die Templer im Jahr 1218 eine Festung, "Burg der Pilger" genannt, erbauten, die einen guten Teil vom Berg Karmel umschloß. Die nördliche Grenze war das Gebiet von Akko, im Süden das von Cäsarea. (Foto: Akko. Ausschnitt aus der imposanten Krypta der Ritter, einst Teil einer zur Zeit der lateinischen Besetzung erbauten Festungsanlage).

Haifa hatte keinen eigenen Bischof. Daher gehörte die Stadt zuerst zum kirchlichen Verwaltungsbezirk des Bischofs von Akko, der seinerseits Weihbischof von Tyrus war. Der Patriarch von Jerusalem übergab die Stadt im Jahr 1132 der Aufsicht des Erzbischofs von Cäsarea. Ein päpstliches Dokument aus dem Jahr 1263 beweist, daß die lateinischen Eremiten unter der Jurisdiktion des Erzbischofs von Cäsarea standen. Wohl war die Stadt zu einem Trümmerhaufen geworden, dennoch blieb der Sitz des Erzbischofs immer besetzt.

Israel. Nord-Galiläa. Ruinen der Kreuzfahrer-Burg von Montfort, Teil des Verteidigungsnetzes mit Hauptsitz in Akko.

Die bedeutendste Kirche von Haifa war der hl. Maria geweiht. Die Mönche von Cluny lebten im Priorat von Palmarea, während andere religiöse Institute, z.B. die Kanoniker vom Heiligen Grab und die Ritter des hl. Johannes vom Hospital, im Herrschaftsbereich von Haifa Besitzungen hatten.

Im Jahr 1291 hörte die "Herrschaft" von Haifa auf zu existieren. Wenige Tage nach der Eroberung von Akko vertrieben moslemische Truppen die letzten lateinischen Bewohner aus der Stadt.

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