Anteil am Kreuz Christi

Was wollte Edith Stein im Karmel? Anteil haben am Kreuz Christi. In ihrem ersten Gespräch mit der Priorin sagte sie: "Nicht die menschliche Tätigkeit kann uns helfen, sondern das Leiden Christi. Daran Anteil zu hahen, ist mein Verlangen."

Worin hestand ihr Anteil am Kreuz Christi? Sie tauchte zunächst in die Bedeutungslosigkeit ein. Ihre Novizenmeisterin berichtet: "Tatsächlich war der Eintritt in den Karmel für Edith Stein ein Herabsteigen von der Höhe der Ruhmeslaufhahn in die Tiefe der Bedeutungslosigkeit." Trotz des hohen Ansehens in der Welt und trotz ihres Alters, sie war hereits 42 Jahre, gab es für sie keine Sonderregelung. Wie alle anderen mußte sie häusliche Arbeiten übernehmen. "Sie war in allen häuslichen Arbeiten so umständlich und so ungeschickt, daß es ein Jammer war, ihr dabei zuzusehen." Mit dem Hinweis auf ihre Unbrauchbarkeit in der Küche schrieb sie an eine ehemalige Schülerin, das sei eine gute Schule der Demut, nachdem sie ihr ganzes Lehen hindurch so übermäßig geehrt worden sei.

Nach der halbjährigen Probezeit empfing sie das Ordenskleid und begann das Noviziat. Dies geschah am 15. April 1934, am Sonntag des Guten Hirten. Am gleichen Sonntag ein Jahr zuvor hatte sie in St. Ludgeri in Münster das Ja des Guten Hirten für den Eintritt in den Karmel erhalten. Erzabt Raphael Walzer feierte den Gottesdienst. Anwesend waren Ediths Patin Hedwig Conrad-Martius, die Professoren Peter Wust, Steffes, Donders, Neuß, Rosenmöller, Brunnhuber sowie ehemalige Mitstudentinnen und Schülerinnen. Sie erhielt den Ordensnamen Theresia Benedicta a Cruce, Theresia Benedicta vom Kreuz, Theresia die vom Kreuz Gesegnete. Nach der Feier sprach Raphael Walzer mit Edith Stein nochmals unter vier Augen. Er traute der Geschichte immer noch nicht ganz und bat sie, ihm ohne Umschweife zu sagen, wie sie sich eingelebt hahe. Ihre Anwort: "Ganz daheim."

Im Frieden des Karmel vollzog sich an Sr. Benedicta eine Veränderung. Das Angespanntsein, das sie früher gekennzeichnet hatte, wich; sie wurde ein gelöster Mensch, konnte mit den Mitschwestern lachen und scherzen, bis ihr die Tränen die Wangen herunterliefen. Und sie wurde ein ausgesprochen mütterlicher Mensch. Eine ehemalige Schülerin, die sie besucht hatte, berichtet: "Sie war im Karmel viel mütterlicher geworden. Ich war davon so überrascht, daß ich nicht umhin konnte, ihr das zu sagen. Worauf sie lächelnd erwiderte: "Ja, man wlrd nie fertig im Leben. Das mußte noch kommen." Woher rührte diese Umwandlung bei Sr. Benedicta? Von Gottes Führung, der sie sich ganz anvertraute. "An der Hand Gottes leben" war ihr Ceterum censeo. Schon während ihrer ausgedehnten Vortragstätigkeit in der Speyerer Zeit ging es ihr um dieses eine: "Es ist im Grunde immer eine kleine, einfache Wahrheit, die ich zu sagen hahe: Wie man es anfangen kann, an der Hand des Herrn zu leben." Sie selbst hat wie ein Kind an der Hand des Herrn gelebt. Im Karmel schreibt sie: "Gottes Kind sein heißt: an Gottes Hand gehen, Gottes Willen, nicht den eigenen tun, alle Sorge und alle Hoffnung in Gottes Hand legen, nicht mehr um sich und seine Zukunft sorgen. Darauf beruht die Freiheit und Fröhlichkeit des Gotteskindes. Mit diesen Worten beschreibt Sr. Benedicta ihr eigenes Inneres. Die Hingabe an den Willen Gottes machte ihr inneres Leben ganz einfach und schenkte ihr eine heilige Sorglosigkeit.

Und diese Hand Gottes führte Sr. Benedicta immer tiefer in das Geheimnis seiner Liebe hinein. Am Ostertag 1935 legte sie ihre erste Profeß ab. Eine Novizin fragte sie an jenem Tag, wie ihr zumute sei. Und ihre Antwort: "Wie der Braut des Lammes." Die Freude und der Friede, die Sr. Benedicta ausstrahlte, dürfen aber über eines nicht hinwegsehen lassen: Sie war sich bewußt, daß sie tief in das Geheimnis des Kreuzes ihres himmlischen Bräutigams hineingeführt wird. Einer Freundin erklärte sie in jener Osterwoche: "Man wird mich hier sicher noch herausholen."

Wie erging es der betagten Mutter in Breslau? Edith Stein durfte auch nach dem Eintritt in den Karmel ihren bisherigen Brauch weiterführen und der Mutter jeden Samstag einen Brief schreiben. Aber die Mutter antwortete nicht mehr. Ihre Schwester Rosa hielt den Kontakt der Familie mit Edith aufrecht. Nach der Profeß teilte Edith ihrer Mutter mit, daß sie die Gelübde abgelegt habe. Und siehe, eines Tages entdeckte Edith in Rosas Brief einen Gruß von der Mutter. Noch mehr, die betagte Mutter hatte ohne Wissen ihrer Töchter im neuen Karmel Breslau-Pawelwitz einen Besuch gemacht. Sie wollte sehen, wie so ein Karmel aussieht. Von da an brachte jeder Brief aus Breslau auch ein paar Zeilen von der Mutter. Im darauffolgenden Jahr erkrankte die Mutter. Am 14. September, dem Fest der Kreuzerhöhung, fand die alljährlich übliche Profeßerneuerung statt. Sr. Benedicta schreibt: "Als ich an der Reihe war, meine Gelübde zu erneuern, war meine Mutter bei mir. Ich habe ihre Nähe deutlich empfunden." Am gleichen Tag traf ein Telegramm aus Breslau mit der Todesnachricht ein. Genau in der Stunde der Profeßerneuerung war Ediths Mutter zu Gott heimgegangen, ausgesöhnt mit dem Weg ihrer Lieblingstochter. Ihre Schwester Rosa, die die Mutter gepflegt hatte, konnte nun den seit längerem ersehnten Schritt tun und Edith in die katholische Kirche folgen. An Weihnachten 1936 wurde sie in Köln getauft. Als Taufkleid wurde ihr Ediths weißer Ordensmantel umgelegt.

Am Donnerstag in der Osterwoche 1938 legte Sr. Benedicta die ewige Profeß ab. Es war der 21. April, der Tag, an dem ihr Lehrer Edmund Husserl starb. Am 1. Mai, es war wiederum der Sonntag des Guten Hirten empfìng sie den schwarzen Schleier. Auf ihr Andachtsbildchen ließ sie ein Wort des hl. Johannes vom Kreuz drucken: Mein einziger Beruf ist fortan nur mehr lieben. Wenn Edith Stein auch wußte, wie notwendig äußere Wirksamkeit ist, sie wußte ebenso, daß die eigentlichen Entscheidungen anderswo fallen, im Herzen das sich liebend Gott übergibt und das Kreuz des Herrn annimmt, das die Quelle allen Segens ist.

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